Ein Modell des geplanten Hafens Fonsalía, der zu vielen Diskussionen führt.
TENERIFFA | Das Projekt des neuen Sport- und Fährhafen von Fonsalía, der seit 2007 geplant und immer wieder hinausgezögert wurde, soll nun umgesetzt werden. Der Bau eines Hafens in Guía de Isora wird von vielen Institutionen wie dem Inselrat unterstützt. Er sei ein großer Schritt für die Wirtschaft und Bildung von Arbeitsplätzen. Trotzdem stecken Wissenschaftler und Politiker seit Jahren in Diskussionen, ob er wirklich notwendig ist – er würde er die Biodiversität der Kanaren gefährden.
Das Projekt umfasst eine Hafenplattform mit fünf Anlegeplätzen für große Schiffe oder Fähren, ein Fischereidock, 200 Trockendocks und 467 Liegeplätze im Sporthafen. Das entspricht einer Küstenzone von knapp über 222.000 Quadratmetern. Der Kostenpunkt liegt bei 200 Millionen Euro.
Das gesamte Küstengebiet vom Teno-Gebirge im Norden bis Rasca im Süden ist von der Europäischen Union als Naturschutzgebiet gekennzeichnet. Es beherbergt rare Tierarten wie den großen Tümmler und die Unechte Karettschildkröte.
Die Küste ist Heimat eines besonders vielfältigen Biotops: Seeadler, Sturmtaucher, Flussseeschwalben, Delfine, Wale und wirbellose Tiere wie Schwämme und Algen. Bisher wurden mindestens 74 geschützte Tierarten nachgewiesen. „Zudem enthält die Zone eine der weltgrößten Kolonien von Kurzflossen-Grindwalen”, so Natacha Aguilar, Zoologie-Forscherin an der Universität von La Laguna. Trotzdem wurde dem Hafenbau 2014 stattgegeben.
Der Diskurs erlangte internationale Aufmerksamkeit, als der Fotograf Francis Pérez den Preis „Wildlife Photographer of the Year“ am Museum of Natural History Museum of London gewann. Das Bild, was ihm den Sieg einbrachte, zeigt einen Grindwal mit fast vollständig abgetrennter Flosse. Diese Verletzung erhielt er durch den Propeller eines kleinen Bootes.

„Das Foto zeigt ein Problem mit Walen weltweit und ein lokales Problem auf den kanarischen Inseln, wo sich der größte Bestand an Walen in Europa befindet. Ich habe mehr als eine Dekade damit verbracht, diese Tiere auf meiner Heimatinsel Teneriffa zu fotografieren“, schreibt der Fotograf auf seiner Website.
Eine Frage der Gesundheit und des Klimas
Natacha Aguilar bringt ein weiteres Argument gegen den Hafen: Wissenschaftler haben festgestellt, dass Änderungen des Ökosystems und Eingriffe in die Biodiversität das Risiko für Pandemien unter Menschen erhöhen.
In ihrer Rolle als Raubfische regulieren Wale das Ökosystem. Sie befruchten das Wasser, was die Produktivität von Plankton erhöht; eines der größten Sauerstoffproduzenten. Plankton absorbiert 30 bis 50 Prozent der durch Menschen verursachten CO2-Verschmutzung und produziert bis zur Hälfte des Sauerstoffs, der weltweit konsumiert wird – das macht es zu einem der wichtigsten Organismen in der Klimakrise. „Wenn wir eine Zukunft ohne Masken wollen, muss die Biodiversität wiederhergestellt werden. Dafür ist es unumgänglich, die Ozeane und Wale zu schützen“, so Aguilar. Es gäbe durch den Schiffsverkehr des neuen Hafens mehr Strömungen, Chemikalien, Lärm, Lichtverschmutzung und die Gefahr, dass Boote mit Meereskreaturen wie Walen und Schildkröten zusammenstoßen.

Alternativen für Los Cristianos
Eine Alternative wäre es, sich mehr mit dem Schiffsverkehr und den Routen der Meerestiere am Hafen von Los Cristianos zu beschäftigen. Dies wäre günstiger und hätte weniger negativen Einfluss auf die Umwelt. Laut dem Präsidenten des Inselrats, Pedro Martín, würde der neue Hafen den von Los Cristianos ersetzen. Dieser ist gerade an Feiertagen und zu den Hauptverkehrszeiten mit Schiffen überlastet, die andocken wollen. Fernando Sabaté der Partei Podemos schlug vor, Zeitpläne für die Nutzung von Seerouten zu erstellen, um Überlastung und Schlangen zu vermeiden. Zudem gibt es Projektmöglichkeiten, die wesentlich weniger kostspielig als der Fonsalía-Hafen sind: Tunnel, Plattformen, neue Straßen, ein Umdenken in der Stadtplanung für Los Cristianos.
Roberto Ucelay, Präsident des Unternehmerzirkels Südteneriffas (CEST), sieht das anders: Durch den neuen Hafen könnte sich Los Cristianos mehr auf Fischereitätigkeiten und Kreuzfahrten konzentrieren. Das würde der Wirtschaft der Stadt, welche stark unter der Coronakrise gelitten hat, wieder auf die Beine helfen. Laut ihm würde sich das Investment der 200 Millionen Euro definitiv lohnen, da der neue Hafen das Geld selbstständig wieder einnehmen würde. Sowohl Fernando Sabaté wie auch Natacha Aguilar fragten, ob ein Eingriff in die Naturschutzgesetze damit wirklich rechtfertigt ist. „Das wäre wie Apartments im Anaga-Gebirge oder auf dem Teide zu bauen”, so Aguilar. „Die einzige Wirtschaft, die sicher und langlebig ist, ist eine, die Biodiversität respektiert.“
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